Montag, 27. Februar 2012

30 - Ein strahlend schöner Sonntag

Es ist das letzte Februarwochenende, Sonntag, und das Wetter ist herrlich. Strahlend schöner blauer Himmel, die Sonne scheint und die Luft ist zwar frisch, aber sehr angenehm. Meine Frau ist auf einem Wochenendseminar, meine Tochter verbringt das Wochenende bei Ihrem Freund. Weil es so schön ist, beschließe ich, zu Fuß zu meiner Mutter Mittagessen zu gehen. 

Zu meiner Mutter ist es in etwa eine Stunde Fußmarsch. Die Bewegung an der frischen Luft ist herrlich, nach dem langen grauen Winter. Es ist, als ob das Hirn auslüftet. Keine Gedanken an Geld, Webseite und wie ich mehr Zugriffe (Seitenaufrufe) bekommen könnte. Einfach nur die Umgebung einatmen und genießen.

Bei meiner Mutter angekommen begrüßen mich die beiden Hunde. Springen an mir hoch, wollen gestreichelt werden. Ich rette mich mit einigen schnellen Schritten in die gute Stube. 

Wir setzen uns zu viert an den Tisch. Meine Schwester mit Sohn, meine Mutter und ich. Im Hintergrund plärrt der Fernseher das Skirennen zu uns rüber. Die Unterhaltung ist dementsprechend laut. Ich meine scherzend zu meiner Mutter, sie müsste mal zum Ohrenarzt um ein Hörgerät. Ein paar Euro zahlt dir eh die Krankenkasse drauf. Ich lache glucksend. 

Uuupps! Ist ein wunder Punkt meiner Mama. Ich kriege einen Rüffel (und das in meinem Alter!).  Sie meinte etwas aufgeregt, den Fernseher übertönend, dass sie ganz bestimmt kein Hörgerät brauche. Ich gehe nicht weiter auf das Thema ein und hole mir das Update unserer Siedlung in einer 80 Dezibel - Beschallung: was gibt es Neues? wer ist gestorben? krank? geschieden? 

Das schöne Wetter als Ausrede flüchte ich dann ziemlich bald wieder aus der elterlichen Geräuschkulisse und verabschiede mich mit dem Versprechen, bald wieder zu kommen. 

Zu Hause angekommen schaue ich, ob ich am Balkon schon rauchen könnte. Ja, tatsächlich. Ich richte mir meinen Zigarrenstuhl ein, setze Kaffee auf, schenke ein kleines Gläschen Grappa von Nonino ein und gehe zu meinem Humidor. Meine Wahl fällt auf eine Montecristo A. Ist ein ziemlich langes Gerät, da rauche ich jetzt sicher 1 1/2 Stunden am Balkon. 

Alles hergerichtet, ich setze mich eingewickelt in eine Decke auf meinen Zigarrenstuhl, öffne die Zigarre mit meinem Bohrer, zünde sie langsam an und genieße die ersten Züge. 

Grappa. Heißer Kaffee. Zug aus der Zigarre. 

Grappa. Heißer Kaffee. Zug aus der Zigarre. 
Langsam entspanne ich mich.

Ich lehne mich zurück. Ich muss wieder an meine Mutter denken. Meine Mama. Plötzlich gleiten meine Gedanken ab. Zurück in das Jahr 2003.....

Oktober. Ich sitze an meinem Schreibtisch und weine. Ich weine und schluchze wie ein kleines Kind. Ich denke an meine Mutter, die ich eben im Krankenhaus besucht habe. Krebs, bösartig, im Frühstadium entdeckt und vielleicht rechtzeitig operiert. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Meine Mutter und ich hatten nie ein inniges Verhältnis. Ich habe es nie vermisst und es auch akzeptiert. Ich habe schon sehr früh versucht, mein Leben selbst zu entdecken. Heute bereue ich es, dass ich nie gefragt habe, wie sie sich fühlt, was sie gerade denkt und welche Wünsche sie hat. ICH LIEBE SIE! und habe es ihr noch nie gesagt. Nicht in all den 44 Jahren.
Am Telefon wollte man mir keine Auskunft geben. So fuhr ich ins Krankenhaus. Ich hörte in mich hinein. Ich spüre es, wenn mit jemandem aus der Familie etwas nicht in Ordnung ist. Ich hatte bisher einen sechsten Sinn dafür. Dieses Mal nicht. Leichte Unruhe, aber nichts Ernstes macht sich in mir breit.
Die Ärzte, der ältere Primar und der jüngere Oberarzt werden geholt um mir Auskunft zu geben. Sie kommen auf mich zu. Der Ältere spricht mich an und gibt das Gespräch an den Jüngeren weiter, der die Operation durchgeführt hat.
Der Primar merkt an meinem Verhalten dass es mir bei der Schilderung des jungen Oberarztes nicht gut geht und übernimmt wieder die Gesprächsführung. Kurz, knapp, sachlich und einfühlsam. Aber eben die ungeschönte Wahrheit. Während er erzählte, musste ich mich für einen kurzen Augenblick an der Wand festhalten. Ich hatte das Gefühl, dass mein Körper eigenartig weich wurde.... 

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