Montag, 9. Januar 2012

17 - Liquidität über alles

Nur wer seine finanziellen Ressourcen im Griff hat und jederzeit zahlungsfähig bleibt, kann beruflich als Selbständiger überleben, Chancen wahrnehmen, die eigene Position durch Lernen oder Neues tun, stärken, kurz: jede Marktschwäche zum eigenen Vorteil nutzen. Wenn man den berühmten "langen Atem" hat, liegt im Einkauf tatsächlich der Gewinn. Wenn man kaufen kann, wenn die Masse schwächelt, wirds wirklich lukrativ. Das geht aber letztendlich nur, wenn man in genau dieser schwierigen Markt- und/oder Konjunktursituation selber höchst liquide ist. Und dazu bedarf es zumindest eines Minimums an finanzieller Organisation und Planung.


Gerade beim Thema Geld und Geldreserven schätzen viele die geschäftliche Entwicklung zu optimistisch ein. Nicht selten muss ein erfolgreicher Selbständiger seine Tätigkeiten einstellen, weil er es nicht gewohnt war, selbst ständig seine Finanzen und vorallem seine Liquidität im Auge zu behalten. 

Vor allem ehemalige Angestellte (so auch ich) müssen erst lernen, dass nicht regelmässig monatlich Geld am Konto einlangt und dass es zwar schön ist, offene Forderungen in der Hand zu halten, aber das Geld erst irgendwann dann tatsächlich am Konto einlangt. Leider meistens nicht in der vorgesehenen, von mir gesetzten Zahlungsfrist sondern meist um mindestens 14 Tage später.

Dann kommen auch noch die Banken und Sparkassen ins Spiel, die einen Selbständigen wesentlich genauer prüfen als einen Angestellten, weil der ja "kein regelmässiges Einkommen" hat.

Das musste ich erst alles mühsam lernen. Mein Selbstverständnis eines Angestellten mit einem durchaus guten Einkommen musste neu programmiert werden. Im Wesentlichen ist alles genauso einfach wie vorher als Angestellter auch. Man muss es nur wissen und sich darauf einstellen. Eben unternehmerisch denken und handeln, auf jederzeitige Liquidität achten und laufend die möglichen Risiken im Auge behalten und schnell darauf reagieren, wenn ein Risiko zur echten Bedrohung wird.

Als ersten Schritt habe ich ein berufliches und privates Konto eingerichtet. Ebenso die Bankomatkarten und Kreditkarten aufgeteilt, um eine komplette Trennung zwischen beruflichen und privaten Ausgaben schon bei der Ausgabe zu haben. Um nur ja nicht zwischen den Konten hin- und herrechnen zu müssen.

Als zweiten Schritt habe ich mir ein monatlich fixes Gehalt, das "Gehalt des Unternehmers" überwiesen. Und dabei ist es mir egal, ob das Geld, das ich mir als Gehalt überweise, im vergangenen Monat durch offene Forderungen eingegagnen ist oder nicht. Damit konnte ich die schwankenden Zahlungseingänge am beruflichen Konto ausgleichen. Das Konto puffert die Zahlungsein- und ausgänge. Die Familie dankt es, wenn das Leben wie gewohnt ohne gröbere finanziellen Probleme weitergeht.

Am beruflichen Kontorahmen, der je nach Zahlungsein- und ausgang flexibel ausgeschöpft wird, entstehen Kosten, die recht elegant gesenkt werden können. In Österreich ist es möglich, 13% des Vorsteuergewinnes in eine bestimmte Kategorie von Wertpapieren zu investieren (Gewinnfreibetrag). Diese Wertpapiere müssen 4 Jahre behalten werden, dann erst kann man einkommensteuerfrei diese Wertpapiere verkaufen (das war ein wirklich toller Wurf der damaligen Regierung). Diese Wertpapiere, die ohnehin nicht verkauft werden dürfen, als Sicherheit dem beruflichen Girokontorahmen hinterlegen, reduziert die Überziehungszinsen massiv auf ca. Euribor plus 2%. Also viel besser gehts fast nicht, vorallem, ohne bereits eigenes, versteuertes Geld in Anspruch nehmen und hinterlegen zu müssen.

Um keinesfalls auf die "Gehaltsüberweisung" verzichten zu müssen, auch wenn der Kontorahmen mal maximal ausgeschöpft ist (und ich auf keinen Fall mit gesenkten Kopf zur Bank gehen möchte um den Rahmen zu erweitern), habe ich mir noch zwei zusätzliche Pufferzonen eingerichtet. 

Einerseits habe ich für 6 Monate meine Gehaltszahlungen als Barreserve auf einem Sparbuch verfügbar, und zweitens versuche ich, immer mindestens für 6 Monate offene Forderungen zu halten. Diese offenen Forderungen ergeben sich in meinem Fall automatisch, da verkaufte Projekte über einen Zahlungsplan meist über 6 - 12 Monate dem Kunden verrechnet werden und ich ebenfalls zu diesen Zeitpunkten meinen Anteil erhalte. Diese Möglichkeit haben aber nicht alle, vor allem nicht jene, die Dienstleistungszeiten verkaufen. 

Mit diesen beiden Pufferzonen habe ich ein volles Jahr Einkommensreserve. Damit sollten meine unmittelbaren Risiken abgedeckt sein. In der Praxis hatte ich mit diesem Puffer noch nie einen Liquiditätsengpass. Allerdings bedarf es (zumindest in meinem Falle) ein hohes Mass an Disziplin, diese Puffer nicht anderweitig auszugeben. Das ist eine wirkliche Reserve und muss als solche auch zweckgebunden verfügbar bleiben.

Die größte Gefahr für betrieblichen Liquiditätsengpass sehe ich als Einzelunternehmer in der mangelnden Rücklage der offenen Steuer und Sozialversicherungsabgaben. Man kann sich hundert Prozent darauf verlassen, dass gerade dann eine Nachforderung staatlicherseits kommt, wenn gerade mal die eigene Liquidität knapp ist. Besonders im dritten Jahr nach Gründung ist die Gefahr relativ am höchsten, weil die ersten beiden Jahre vom Finanzamt und Sozialversicherung noch sehr soft verrechnet werden, aber dann ab dem dritten Jahr nachverrechnet wird. 

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man wirklich gut daran tut, diese Rücklagen zu halten. Gier und Angst sind keine guten Ratgeber. Meine Rücklagen sind 2008 im Aktiencrash verpufft, was nicht wirklich witzig war. Dann weiter die beiden Geldsysteme "Privat" und "Beruf" strikt auseinanderzuhalten und trotzdem alle offenen Forderungen zeitgerecht aus dem laufenden Cashflow zu bezahlen, ist eine echte Herausforderung. Es geht und es war auch eine echte interessante Lernphase, aber es kostet letztendlich unnötig Zeit und Energie, und bringt mich meinem Ziel um keinen Zentimeter näher.

Für mich ist das eine absolute Regel, nie in die Verlegenheit kommen zu dürfen, private Ausgaben mit beruflichen Geld oder noch offene berufliche Forderungen, mit privatem Geld bezahlen zu müssen (am Anfang meiner Selbständigkeit habe ich diesen Fehler gemacht und das hat nur für Troubles gesorgt). Diese beiden Systeme sind für mich vollkommen von einander getrennt und das sollte unter allen Umständen so bleiben. Ich muss mir in jedem der beiden Systeme alle Ausgaben genau überlegen, ob ich mir das auch leisten kann. Die Philosophie dahinter: wenn ich in einer Firma angestellt wäre, kann ich auch nicht für private Zwecke über deren betriebliches Vermögen verfügen. 

Kann ich, als Beispiel, eine offene berufliche Forderung momentan nicht zahlen, würde ich alles versuchen, um durch  Verhandlung eine Stundung zu erreichen, selbst wenn ich die Rechnung leicht mit privatem Geld zahlen könnte. Im äussersten Notfall und erst nach intensiven Verhandlungen mit meinem Gläubiger würde ich mir als allerletzte Maßnahme selber einen Kredit aus privaten Mitteln gewähren, den ich selbstverständlich wieder zurückzahlen muss.

Ja, ich weiss. Ich bin ein bissl penibel. Aber hier Disziplin zu wahren, ist der Garant, nicht beruflichen Träumen nachzuhängen in der Hoffnung, es wird schon irgendwie funktionieren. Ich habe die Pleite eines Unternehmens hautnah mitverfolgt, die einen der Eigentümer beinahe auch privat in die Pleite gerissen hätte, weil genau diese Regel nicht eingehalten wurde.

Hier muss ich auch selber immer noch an meiner Disziplin arbeiten, da sich dauernd irgendwelche "guten Investitionsmöglichkeiten" ergeben, zu lasten der Rücklage. Für mich hat es sich noch nie ausgezahlt, Rücklagen für irgendwelche schnellen und unüberlegten Geheimmtipps, anzugreifen. Beruflich geplante Investitionen allerdings schon und deshalb sind diese für mich der Kern im Aufbau der Million in sieben Jahren.

Ein weiteres Risiko, nämlich das mangelnde Vertrauen der Banken in meine Selbständigkeit und den damit verbundenen schwankenden Einnahmen, habe ich dadurch gelöst, als das ich eine sehr offene Kommunikation mit meinem Risikomanager pflege. Einmal pro Quartal maile ich ihm meine voraussichtlichen zukünftigen Einnahmen aus den noch offenen Forderungen gemäss des geplanten Projektverlaufes. 

Ist abschätzbar, dass ein Monat mal keine Zahlungen eingehen (was praktisch kaum vorkommt), dann maile ich das im Voraus an die Bank, obwohl ich über ausreichenden Kontorahmen und Bargeldreseve verfüge. Ich weiss nie, ob ich nicht irgendwann mal wirklich großen Liquiditätsbedarf habe, weil ich irgendetwas kaufen oder in ein Projekt investieren möchte. Vertrauen muss man aufbauen, das kostet Zeit aber zahlt sich meiner Erfahrung nach, immer sehr aus.

Das Wichtigste für den Risikomanager auf der Bank ist, abschätzen zu können, wie hoch sein eigenes Risiko ist, wenn er mir Geld gibt. Die Banken wollen wissen, wem sie ihr Geld leihen. Je transparenter und für den Risikomanager nachvollziehbarer meine Geschäfte sind, je offener die Kommunikation ist, auch wenn es mal nicht klappt, desto höher ist das Vertrauen der Bank und auch die Bereitschaft, Entscheidungen zu meinen Gunsten zu treffen, die vielleicht nicht mit den Standardregeln der Bank vereinbar wären.

Die eigene Bonität hängt nicht nur von den geldwerten Sicherheiten ab, sondern auch von sogenannten Softfaktoren wie Führungsqualitäten, strategisches Denken und dem Umgang mit den eigenen finanziellen Ressourcen. Vor allem langfristige Finanzierungen werden immer schwieriger. Und vielleicht brauche ich genau diese Finanzierung, um meine Wette gewinnen zu können, um meine Million in sieben Jahren zu schaffen. 

Ich weiss es noch nicht, ich will mir aber auf keinen Fall einen möglichen Weg zur Kapitalbeschaffung verbauen, auch wenn ich das dann vielleicht nie in Anspruch nehme. Wichtig für mich ist, dass ich es in Anspruch nehmen könnte, wenn ich wollte. Und zwar sofort, schneller als mögliche Mitbewerber (vielleicht zum Kauf einer Immobilie? )

Der Umgang mit den eigenen finanziellen Ressourcen ist tatsächlich eine Herausforderung für einen Einzelunternehmer. Es benötigt ein Mindestmass an Organisation und Adminsitration. Um jederzeit zahlungsfähig bleiben zu können, muss ich zu jedem Zeitpunkt wissen, welche Zahlungen ein und ausgehen, und das möglichst lange im Voraus. 

Deshalb kontrolliere und aktualisiere ich täglich meine Liquiditätsplanung, die ich jeweils für die nächsten 12 Monate rollierend erstelle. Das wichtigste sind immer die Zahlungspunkte für Umsatzsteuer, Steuer, Sozialversicherung und die monatliche "Gehaltszahlung". Wer das sicher und zeitnah im Griff hat, hat die gröbsten Risiken hinsichtlich Liquidität bereits erledigt.

Auf den ersten Blick nicht so leicht zu erkennen, hat sich eine meiner Regel aber sehr positiv auf die Liquidität und das Einkommen ausgewirkt: Keep it very simple and stupid! 

Alles was kompliziert ist oder perfektionistisch umgesetzt wird, kostet viel mehr Zeit und damit Geld, als der Nutzen, den diese Komplexität oder Genauigkeit im Endeffekt bringen kann. Pareto hat es auf den Punkt gebracht: mit 20% Aufwand 80% der Ergebnisse erzielen.

Und das wird auch der Schlüssel zum Aufbau der unternehmerischen Projekte und damit zur Schaffung der Million in sieben Jahren sein, aber das ist eine andere Geschichte...


erfolgREICHer im Leben, Ergänzungen


11.2.2012
Die Presse, 11.2.2012, Karrieren: Risikomanagement: Vor dem Griff auf die Herdplatte
..... "Kernpunkt ist, Risiken systematisch zu identifizieren und einzustufen: Wie hoch ist die Eintrittswahrscheinlichkeit? Kann man einen etwaigen finanziellen Schaden beziffern? Handelt es sich um ein prioritäres Risiko?. Wie jedes Unternehmen haben wir nur beschränkt verfügbare Mittel und können deshalb nur essentiellen Risiken mit proaktiven Steuerungsmaßnahmen entgegenwirken., erklärt der an TU Graz ausgebildete Wirtschaftsingenieur." .................. 

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